Dienstag, 16. August 2011

Die große Hoffnung


17 Sekunden – dann war es geschafft. 17 Sekunden – dann durfte er die Arme siegreich nach oben stemmen. 17 Sekunden – dann schien der Mythos wieder zu leben. Der Mythos „Kimbo Slice“. Was 17 Sekunden doch so alles bewegen und verändern können!?!?!

Tief war er gefallen. Die einstige „Youtube-Sensation“ Kevin Ferguson aka Kimbo Slice. Zuletzt konnte ihn die UFC nicht mehr gebrauchen, ihn nicht mehr als ernstzunehmenden Fighter darstellen. Schonungslos wurden ihm die Grenzen aufgezeigt. Auf die Bretter musste er in seinem letzten Duell – in den Ringstaub des Octagons. Matt Mitrione beförderte Kimbo dorthin. Es war der gerade mal zweite Kampf, bei den gemischten Kampfkünsten, für den Mann aus Indianapolis. Spätestens hier war es auch dem letzten Fan klar, dass für Ferguson in der ersten und zweiten Reihe bei den Mixed Martial Arts kein Platz ist.

Also mussten Alternativen her. Lange Zeit war immer wieder Japan im Gespräch. Das Land der aufgehenden Sonne ist bekannt für seine Freak-Fights und in diese hätte Kimbo super gepasst. Hinter den Kulissen war aber vor allem Boxpromoter Gary Shaw sehr um seinen ehemaligen Schützling bemüht. Shaw hatte Ferguson einst von der Strasse in den Käfig gebracht und mit Ihm im amerikanischen TV Traumquoten für das MMA einfahren können.

Wenn man Kimbo Slice eines immer lassen musste - die Leute wollten ihn sehen. Das war schon vor seiner Zeit im professionellen Kampfsport so. In Hinterhöfen hat er sich einen Namen gemacht. In sogenannten Barenukle-Fights, dort wo man also ohne Handschuhe auf seinen Gegenüber eindrischt. Fragwürdig und illegal – keine Frage! Dennoch, so betonen Fans dieser Szene immer wieder, gibt es dort Regeln und keiner wird gezwungen anzutreten.

Ob diese Regeln allerdings wirklich immer eingehalten werden, darf bezweifelt werden. Einen Ringrichter gibt es nicht und anscheinend weiß auch niemand, wann das Aufeinandertreffen beendet ist. Zu sehen auch in Streetfights von Kimbo. Wer sein Duell gegen Sean Gannon – einen ehemaligen Polizisten aus Boston – gesehen/ertragen hat, kommt nicht an dem Eindruck vorbei, dass bis zuletzt versucht wurde, Kimbo zum Sieg zu verhelfen. Angeblich war dies die einzige Niederlage des Mannes aus Miami, der sich früher auch als Bodyguard in der Pornoindustrie versuchte.

2007 der Ausbruch aus diesem Umfeld. Mit 33 Jahren will Ferguson noch einmal die Kurve bekommen, möchte aus dem illegalen Dunstkreis, sich fortan im Free Fight versuchen. Für seinen Start im neuen Sport kann er die  MMA-Legende Bus Rutten gewinnen und auch ein prominenter Gegner ist schnell gefunden. Der inzwischen 46-jährige Ray Mercer, einst WBO Schwergewichtsweltmeister, braucht anscheinend dringend Geld. Grund genug um gegen den „König der Internetprügler“ anzutreten. Es sollte schnell gehen, denn Mercer schien einen Boxkampf zu erwarten und war am Boden dann auch schlagartig chancenlos.

Was folgte war ein wahrer Kimbo-Hype. Nicht nur die Fernseh-Ratings waren vielversprechend, nein es gab Fans die trauten Ihm mehr zu. Erste Kratzer bekam das „Unschlagbarkeits-Image“ beim Kampf gegen James Thompson. Größte Mühe hatte der Ringrichter damals, Ferguson in Runde zwei irgendwie über die Zeit zu bringen. Dennoch schaffte Kimbo in Durchgang drei den Knockout.

Endgültig zerstört wurde die Hysterie um ihn dann durch seine vorzeitige Niederlage gegen Seth Petruzelli. In gerade einmal 14 Sekunden fertigte er Kimbo ab und vernichtete damit das Flagschiff von Elite XC. Vorbei waren damit auch die Träume von Gary Shaw, der mit Hilfe seines Straßenkämpfers, den Durchbruch beim MMA schaffen wollte.

Aber nach diesem Desaster landete Ferguson nicht etwa wieder auf der Strasse – nein die UFC bot ihm, in ihrer damals aktuellen TUF-Staffel, einen Platz an. In „The Ultimate Fighte“ (kurz TUF) kämpfen aufstrebende MMA´ler und talentierte Nachwuchsstars um einen Platz in der UFC – da wo alle Protagonisten der gemischten Kampfkünste hinwollen.

Nun hatte also UFC-Präsident Dana White den Rüpel aus dem World Wide Web eine Chance eingeräumt, in seiner Promotion Fuß zu fassen. Was verwundert – hatte White doch davor immer den Saubermann gespielt, der derartigen Fightern nicht den Weg ebnen wollte, sich in einem doch vollkommen „seriösen“ Sport zu etablieren. Wie schnell es doch mit den Vorsätzen vorbei ist, wenn die grünen Scheine winken!

Aber auch seine UFC-Zeit war nicht gerade von sehr viel Erfolg gekrönt. Nach einer Niederlage – wie oben erwähnt – gegen Mitrione war endgültig Sense. Kimbo war wieder Arbeitslos und die Gosse wartete anscheinend auf Ihn. Von wegen! Denn inzwischen konnte die einst zwielichtige Gestalt, auch in kleineren Hollywood-Produktionen mitspielen und sich so über Wasser halten. Sogar Disney war an Ihm dran. An einen Mann, der früher Geld mit Hinterhof-Duellen verdiente. Was für ein Vorbild für die Kids von heute...

Aber sei es drum. Kimbo kehrte nun also zu seinem Ziehvater Gary Shaw zurück und beide tüftelten den Plan aus, Käfig gegen Ring zu tauschen. Im Boxen kann man anscheinend noch mit seinem Namen Geld verdienen. Und Gestalten wie er fühlten sich grundsätzlich in diesem Sport schon immer sehr wohl. Zwar wollte kein Sender seinen ersten Kampf bei den Profis übertragen, dennoch lies sich weder Shaw - noch Kimbo selbst - davon beirren.

In 17 Sekunden wurde James Wade ins Reich der Träume geschickt. 17 Sekunden die aus Kimbo wieder einen glaubhaften Kämpfer machen. Vergessen wir einfach mal, dass der Gegner eigentlich aus einer niedrigen Gewichtsklasse stammt. Erwähnen wir am besten auch nicht, dass Wade selbst dort nur Prügel kassierte. Und vor allem übersehen wir zudem noch was – Das Kimbo einfach schlecht geboxt hat. In 17 Sekunden offenbarte er ein Defensivverhalten, dass diesen Namen nicht verdient!

Aber wie gesagt – Wir schieben das bitte mal alles beiseite... denn im Internet – also dort vor Kimbo Slice sich am wohlsten fühlt – wird sicherlich schon der nächste ganz große Hype um ihn entstehen. Fights gegen große ausgediente Boxer winken und damit vielleicht noch mal das ganz große Geld. Ein neuer amerikanischer Traum entsteht vielleicht gerade – die wohl derzeit unter Umständen letzte große Hoffnung des Schwergewichts in Übersee...

Freitag, 12. August 2011

Der tiefe Fall des Kelly Pavlik



Der 29. September 2007 war wohl sportlich der größte Tag im Leben von Kelly Pavlik. In einem wirklich grandiosen Fight entthronte der Mann aus Youngstown/Ohio den bis dato ungeschlagen Jermain Taylor. Jenen Taylor, der schon Bernhard Hopkins zweimal schlagen konnte und als die Nummer 1 im Mittelgewicht galt. Ab diesem Tag war er der neue König der Gewichtsklasse und es schien, als wäre er die zukünftige Lichtgestalt des Faustkampfes in Übersee.

Dabei hatte es im Kampf selbst erst gar nicht danach ausgesehen. Bereits in Durchgang zwei schien es, als sei „The Ghost“ der puren Offensivgewalt seines Kontrahenten nicht gewachsen. Folgerichtig musste Pavlik auf die Bretter und konnte sich anschließend gerade noch so in die Pause retten. Danach aber der große Auftritt. Der Schlacks mit der langen Reichweite fighte und konnte den Kampf drehen. In Runde Sieben die kleine Sensation. Taylor liegt geschlagen in den Seilen – Verteidigungsunfähig und ab sofort war er seinen Titel los.

Kelly Pavlik war nun nicht nur der neue Champion – nein er war mehr! Er war über Nacht zum absoluten Superstar geworden. Er - der Mann aus einer relativ kleinen Stadt, er - ein Mann des Volkes hatte es geschafft. Von ganz unten, hat er sich nach ganz oben geboxt. Der Stoff aus dem die Träume in Amerika gemacht werden. Vom Tellerwäscher zum Millionär, dass traf durchaus zu auf Kelly Pavlik.

Damit verbunden kam die Bekanntheit und mit ihr der Ruhm. Der sonst eher zurückgezogene Kelly stand im Rampenlicht und konnte damit nicht wirklich umgehen. Die Leute wollten mit IHREM Kelly feiern und so kam es in diesen Tagen desöfteren dazu, dass Pavlik von Bar zu Bar zog und mit seinen Fans Drink um Drink nahm.

Es dauerte nicht lang und aus einem gelegentlichen Schluck wurde eine Regelmäßigkeit. Es dauerte wiederum nicht lang, bis sich das auch sportlich bemerkbar machte. Pavlik der bei vielen in der Gewichtsklasse als unschlagbar galt und vielleicht sogar der beste Pound 4 Pound Fighter war, wurde von einem über 40-jährigen Hopkins bei einem Nicht-Titelkampf vorgeführt. Allerdings übersprang er für das Duell zwei Gewichtsklassen und die Kritik hielt sich damals noch in Grenzen.

Es war aber auch die Zeit, in der die Gerüchte um Alkoholprobleme immer stärker aufkamen. Allerdings versuchte man die Sache im Lager von Pavlik unter den Tisch zu kehren. Als „The Ghost“ dann aber im April 2010, in seinem geliebten Mittelgewicht, chancenlos gegen Sergio Martinez war und damit seine Krone verlor, konnten auch sie an den Problemen nicht mehr vorbeischauen.

Der gefallene Star begab sich endlich in professionelle Hände und legte eine Pause ein. 2011 schien Pavlik den Kampf gegen die Sucht gewonnen zu haben. Mit gerade einmal 29 Jahren sollte ein Neuanfang folgen. Nun eine Gewichtsklasse höher. Der WBC reagierte sofort und gab ihm eine Topplatzierung in seinem Ranking. Ein-Zwei Aufbaukämpfe bloß – das sollte reichen – dann kann ein Duell gegen Weltmeister Lucien Bute bereits folgen.

Im Mai, bei seinem Comeback-Kampf gegen Alfonso Lopez, sollte dann aber alle die Realität einholen. Nur knapp konnte Pavlik gewinnen. Dennoch wurde an den Weltmeister-Plänen, die von Manager Cameron Dunkin und Promoter Top Rank ausgearbeitet wurden, festgehalten. Noch ein Fight, dann kann ein Duell um den Thron im Super-Mittelgewicht stattfinden.

Letzte Woche aber die Absage. Kurzfristig ließ das Pavlik-Lager das Aufeinandertreffen mit Darryl Cunningham platzen. Seither kursieren die Gerüchte. Ist der „Geist“ wieder rückfällig geworden oder spielt etwas anderes eine Rolle. So ist auch immer wieder zu hören, dass Pavlik die Kampfbörsen nicht hoch genug sind. Gegen Cunningham – so wird behauptet – hätte er gerade einmal eine Garantiesumme von 50.000 Dollar bekommen. Bei einem Duell dann gegen Lucien Bute zwar schon 1,35 Millionen – aber Pavlik ist anderes gewohnt. Über 1 Millionen Dollar hat er damals schon für Titelverteidigungen gegen No-Name Boxer einstreichen können...

Ist es also im Endeffekt das Geld, was Pavliks plötzlichen Rückzug erklären kann? Oder ist es doch mehr und seine Suchtprobleme haben ihn wieder eingeholt? Wie dem auch sei, Kelly Pavlik steht dennoch am Abgrund! Denn TV-Partner Showtime scheint die Nase voll vom einstigen Superstar zu haben. Wie es weiter geht bei ihm, steht in den Sternen – also dort wo er früher einmal war – ganz oben... Derzeit ist er aber sicherlich nicht dort anzufinden. „The Ghost“ ist tief gefallen – ob er jemals wieder dort oben ankommt?

Selbstmord?



Arturo Gatti – Ringlegende, Fighter und mehrfacher Weltmeister! Kaum ein Faustkämpfer dieses Jahrtausend, hat die Herzen der Boxfans so erobern können wie der in Brasilien geborene Gatti. Es war seine Art zu kämpfen – eine Art die aus längst vergangenen Zeiten zu stammen schien, oder wie man sie nur aus Hollywood-Produktionen kannte.

So wurden allein vier seiner Ringschlachten vom „Ring Magazine“ als „Kampf des Jahres“ gewählt. Auch eine Auszeichnung zum „Knockout of the Year“ steht auf seiner Habenseite. Nur das Ende dieses schillernden Superstars schien seiner nicht würdig. 2009 wurde Arturo Gatti tot in einem Hotelzimmer aufgefunden. Der Staatsanwalt ging von Suizid aus. Etwas was die Familie von Gatti so nicht auf sich beruhen lassen wollte!

Am 30. August nun wollen die Privatdetektive Paul Ciolino und Joseph Moura einen Bericht veröffentlichen, der zu den Umständen von damals Stellung bezieht. Beauftragt wurden die beiden von Gattis ehemaligen Manager Pat Lynch, der an der offiziellen Todesursache mehr als nur leichte Zweifel hat. Gegenüber dem „Jersey Journal“ äußerte sich nun Ciolino bereits vielsagend:

„Wenn wir mit der Vorstellung unseres Berichts fertig sind, dann wird jedem klar sein, dass es kein Selbstmord war! Das war physikalisch einfach unmöglich. Die Autopsie war unvollständig. Es wurden hier Dinge getan, die überall auf der Welt völlig inakzeptabel wären.“

Eine Anspielung die auch auf Gattis damals 23-jährige Ehefrau abzielt. Nach dem Tod des 37 Jahre alten Ex-Champions war zunächst nämlich Amanda Rodrigues wegen dringenden Tatverdachts verhaftet worden. Nach drei Wochen war sie dann wieder auf freien Fuß und der Staatsanwalt sah es als erwiesen an, dass Gatti sich mit der Handtasche seiner Frau selbst strangulierte.

Auf Nachfrage des Journalisten, ob die Untersuchungen den Verdacht erneut auf Rodrigues lenken würde, daran ließ Ciolino keinen Zweifel. „Es war doch nur noch eine Person an diesem Abend im Appartement...“

Der Tod von Arturo Gatti wird die Boxsportgemeinde also noch länger beschäftigen. Sicherlich aber nicht so lang, wie seine denkwürdigen Fights in den Annalen des Boxsports immer wieder Erwähnung finden werden. Vor allem seine Trilogie gegen Micky Ward ging in die Geschichte des Sports ein. Beide lieferten sich in drei Kämpfen einen wahren Krieg, indem Sie gnadenlos immer wieder nach vorn marschierten. Allein die neunte Runde des ersten Aufeinandertreffens wird auch heute noch unter Boxexperten als „Runde des Jahrhunderts“ bezeichnet.